Samstag, 22. September 2007

Gente trabajadora

Das ist nicht nur der unsägliche Jingle der unsäglichsten Radiostation die man sich vorstellen kann - nur Geschwafel, alle zehn Minuten die gleichen Werbeeinspielungen, und das jeden Tag 6 Stunden lang - sondern auch der Teil der Bevölkerung, zu dem ich seit kurzem gehöre. Aber mehr dazu später in diesem Blog ;)

21. September
Tag des Frühlings, der Jugend, der Liebe, der Studenten, der Ärzte und der Automechaniker (sagte zumindest jemand). Ja, während in der Schweiz wohl schon bald der Winter einbricht, werden hier die Tage wärmer und alle freuen sich auf den Frühling. Und weil die Arbeitsmoral in den katholischen Ländern Südamerikas bekanntlich nicht sonderlich ausgeprägt ist, wurde der 21. September kurzerhand zum Feiertag erklärt. Dementsprechend hatte es deutlich mehr Leute in den Strassen und auf den Plätzen, zumeist Eltern mit ihren Kindern.
In den Schulen (so ganz 100% Feiertag ist es wohl doch nicht) erhielten alle einen Snack und ein Getränk, und wurden mit Tanzvorstellungen von Studenten o.ä. unterhalten.
Für uns ICYE-Austauscher war ein Abendessen in einem Restaurant angesagt. Das entpuppte sich schliesslich als Pollo-Schnellimbiss (vergleichbar mit McDonalds) - bloss dass ihnen das Poulet ausgegangen war. Gut 2/3 der Karte waren nicht mehr erhältlich, und überhaupt hatten wir Glück noch bestellen zu können. Es war nämlich schon halb 10 und das Lokal leerte sich rasch. Schliesslich waren wir die einzigen verbliebenen Gäste, die Türe verriegelt, die Musik abgestellt. Und noch immer wartete ich auf mein "Sandwich caliente con Queso y con Jamon"... Es kam endlich doch noch - allerdings kalt, und ob sich sowas Käse schimpfen darf?
Alles in allem war das "Abendessen" ein ziemliches Desaster. Bloss weg von dort. Lieber als mit Oscar und den andern Austauschern etwas trinken zu gehen, schloss ich mich deshalb meiner Gastschwester Soraya an und schnupperte erstmals das bolivianische Nachtleben.

Tag des Fussgängers - Chronik
Heute war also der grosse Tag für unsere Plakate gekommen, erwartungsvoll fuhr ich nach einer allzu kurzen Nacht pünktlich um 9 Uhr zur Plaza 25 de Mayo. Leicht stutzig wurde ich schon, als diese nicht wie angekündigt für den verkehr gesperrt war. Wird vielleicht noch, dachte ich. Um viertel nach 9 traf dann meine Mit-Volontärin Sari ein. Um halb zehn beschlossen wir zum Supermarkt zu gehen. Wieder zurück war Lisbeth, die Sekretärin, und mit ihr unsere Plakate und die Stellwände endlich eingetroffen. Samstags öffnet das Museum nicht und wir haben keine Möglichkeit ins Büro zu kommen. Noch immer rauschte der Verkehr vor sich hin. Von Aktivitäten seitens der Stadtregierung keine Spur. Wir schickten einen Kundschafter zum Parque Bolívar - doch auch dort "nada".
Um 11 traf schliesslich René, der Verantwortliche für die Aktion, aus Cochabamba ein. Um halb 12 hatten wir die Plakate aufgestellt und wurden kurz darauf von einer Politesse nach einer Erlaubnis Bescheinigung gefragt. Wir versprachen um 12 zu verschwinden. Erstmal schickten wir aber Lisbeth aus, Salteñas und Soda zu kaufen. Um viertel vor eins, nachdem die Zwischenverpflegung verspiesen war, packten wir unsere Sachen zusammen.
Bilanz: Diverse verteilte Faltprospekte zum Thema Luftverschmutzung, einige interessierte Betrachter unserer Plakate, wenige Gespräche mit Passanten, eine Anmache von Betrunkenen. Wir haben zwar einige Leute erreicht, unter anderem haben die Schuhputzerjungs unsere Prospekte sehr konzentriert studiert, aber wenn von der Stadtregierung wirklich das Angekündete gekommen wäre, hätten wir viel mehr Aufmerksamkeit für das Problem gewinnen können. Ich bin ja gespannt auf die Erklärung des Umweltamtes!




Ich wünsche den Studenten einen guten Studienanfang, den Schülern&Lehrern schöne Ferien und der arbeitenden Bevölkerung einen erholsamen Sonntag!
Danke für die Kommentare und (v-)Mails :)

Mittwoch, 19. September 2007

Vida cotidiana (Teil 1)

Ende der Arbeitslosigkeit
Ja, ich habe tatsächlich endlich ein Projekt gefunden. Wobei die Suche ja nicht sonderlich intensiv war. Nachdem ich bereits 10 Tage in Sucre gewesen war, ohne ein einziges Projekt auch nur besichtigt zu haben - da es Oscar, der ICYE-Verantwortliche vor Ort, irgendwie nicht schaffte an die Verantwortlichen heranzukommen um einen Termin zu verabreden - wollte ich einfach mal beginnen zu arbeiten, egal was. Ferien sind zwar schön, aber auf Dauer nicht so das Wahre. Ausserdem bin ich ja hier um etwas sinnvolles zu tun, und herumhängen und einen argentinischen Musiksender schauen (top!) zählt wohl nicht dazu. Vergangenen Mittwoch hiess es dann: wir treffen uns in 20 Minuten auf der Plaza, und besichtigen ein Projekt. Yay! Dass ich mich dann auch prompt für dieses Projekt entschied war weniger eine Verzweiflungstat, als viel mehr ein lange geplanter Entschluss. Schon im Einführungscamp bei La Paz hatte ich die projektbeschreibung gesehen und gesagt "este proyecto me gusta". Fragt mich nicht wieso es solange gedauert hat, bis ich letzten Donnerstag endlich meinen ersten Arbeitstag hatte.

Asociación Sucrense de Ecología (ASE)
Die ASE ist eine politisch un religiös unabhängige Organisation von Freiwilligen, sowie ca. 5 Festangestellten. Ihre Mission ist es, für den Schutz der Umwelt und der natürlichen Ressourcen einzutreten, sowie die Lebensqualität der Einwohner des Departements Chuquisaca zu verbessern. Sie ist Mitglied von LiDeMA (Liga de Defensa del Medio Ambiente).
Wie gesagt, ich hatte es schon längere Zeit auf dieses Projekt abgesehen. Die Informationen die uns die Direktorin der ASE, Señora Apolonia Rodriguez Gonzales gab klangen auch alle ganz interessant. Als sie aber zum Bereich der Aktivitäten der ASE kam, und erzählte, dass geplant ist Wände mit Aufrufen zu ökologischem Verhalten zu bemalen und eine Baumpflanzaktion im Gange ist, wusste ich: das ist es. Und so werde ich hier nun also keine Hütten bauen [ ;) ], sondern Bäumchen pflanzen helfen.
Bisher allerdings haben wir, das heisst Sari, Austauscherin aus Finnland, und ich die meiste Zeit damit verbracht, Plakate für kommenden Samstag zu zeichnen. Im Moment läuft in Sucre nämlich die "Semana del Aire limpio" (Woche der sauberen Luft) - bloss dass das kaum einer zu wissen scheint. Während der Woche kann man gratis messen lassen wieviel Dreck sein Auto in die Luft schleudert (ich möchte ja nicht wissen, wie die Ergebnisse der Micros aussehen, ihres Zeichens klapprige Minibusse, in Japan ausgemustert, über Chile nach Bolivien transportiert, und jetzt hier das öffentliche Verkehrsmittel Nr.1 (das einzige)) und am Samstag ist dann Tag des Fussgängers. Die Plaza 25 de Mayo, Hauptplatz, wird für den Verkehr gesperrt sein und es werden diverse Aktivitäten - Sport, Spiel und Spass - durchgeführt werden. Organisiert wird das ganze von der Stadtregierung, mit Unterstützung durch die Kampagne "Aire Limpio" des DEZA. Da wird einem gleich ein wenig patriotisch zumute... Die ASE wird mit eben jenen Plakaten präsent sein, die Sari und ich unter so viel Anstrengung kreiert haben (Problem: Wir können beide nicht zeichnen :)).


Mercado Campesino
Was macht man in Bolivien am Samstagvormittag? Genau, das selbe wie auch in der Schweiz: einkaufen. Allerdings weder in Coop noch Migros, noch in sonst einem Supermarkt (in ganz Sucre gibt es nur einen, und der ist gelinde gesagt klein). Man fährt mit Taxi oder Micro auf den Mercado Campesino ("Bauernmarkt"). Der ist in vielerlei Hinsicht beeindruckend: schon allein die schiere Grösse - ich glaube, man könnte ohne weiteres einen ganzen Tag dort verbringen und hätte wohl noch immer nicht alles gesehen - mehrere Strassenzüge sind einfach Markt; dann die Vielfalt (es gibt wirklich alles- und alles durcheinander); die Menge der Waren (vor allem Berge und Türme von Früchten und Gemüse) und der Menschen; weiter die Preise (1kg Schweinefleisch=2.50 CHF) und last but not least: die Fleischabteilung. Selbstverständlich ungekühlt, zusätzlich zumindest teilweise unter freiem Himmel - aber alles ganz frisch!
Man muss es fast mit eigenen Augen gesehen haben...
Angenehm fühlte ich mich an Einküfe meiner Kindheit zurückerinnert, als sich mir eine Banane, Apfelschnitze, ein Stück Papaya und eine halbe Birne entgegenstreckten.

[Hier sollten jetzt eigentlich Fotos vom Mercado Campesino folgen, bloss leider sträubt sich PicasaWeb. Ich werde die neue Version von Firefox installieren und einen weiteren Versuch starten]

Edit (22.09.2007): Und
sind die Fotos endlich. Bei Photobucket geht's erst noch schneller :) Leider nicht ganz so elegant wie picasa, aber es funktioniert!

Chiquitito
Hat sich je einer über die "-li" der Schweizer lustig gemacht? Hat je jemand behauptet, wir benutzen zu viele Diminutive? Der kann einpacken, sobald er in Sucre/Bolivien ist. Wie wärs zum Abendessen mit einem "matecito calientito" (heissliches Teelein) und einem "pancito fresquito" (frischliches Brötlein)? Insbesondere die Verkleinerungsform der Adjektive lässt schmunzeln "hermanito viejito" (ältliches Brüderlein) oder "mamita jovencita" (jüngliches Mütterlein).
Die Krönung liefert jedoch unser Golden Retriever Oliver, ein "perrito chiquitito" (winziges Hündchen).

Donnerstag, 6. September 2007

¡Esto es Sucre, Sucre se respecta!

"¿Sucre? Ah, tranquilo, muy tranquilo." - versicherten mir zumindest mehrere Personen. Und trotzdem befinde ich mich in der momentan unruhigsten Stadt Boliviens. Doch lasst uns von vorne beginnen...

Wie alles begann
Es begab sich aber vor langer, langer Zeit im Jahre 1899 ein Bürgerkrieg in Bolivien. Aus dem Pazifikkrieg gegen Chile (bei dem Bolivien seinen Zugang zum Meer verlor) waren zwei Gruppen hervorgegangen: die kriegerischen "guerristas" mit Sitz in La Paz und die friedlichen"conservistas" in Sucre. Es kam wie es kommen musste, zum bereits erwähnten Bürgerkrieg, aus welchem die "Paceños" siegreich hervorgingen. Seither befindet sich sowohl die Legislative, wie auch die Exekutive nicht mehr in der eigentlichen Hauptstadt Sucre, sondern in La Paz. Den "Sucrenses" verblieb einzig der oberste Gerichtshof.

¡La sede se mueve!
Gegenwärtig tagt in Sucre die Asamblea Constitucional, deren Aufgabe der Entwurf einer neuen Verfassung ist. Eine Verfassungsänderung ist die einzige Chance für Sucre wieder vollwertige Hauptstadt "Capital plena" zu werden.
Am 15. August jedoch gab die Regierung ein Dekret heraus, das die Streichung der Hauptstadtfrage von der Tagesordnung der Asamblea verlangte. Die Constituyentes nahmen das Dekret an. Und seither ist in Sucre nichts mehr mit "tranquilo".

!Democracia sí, dictadura no!
Denn natürlich geht es nicht, dass sich die Regierung in die Belange der unabhängigen Asamblea einmischt. Was die Sucrenser wollen, ist nicht unbedingt wieder volle Hauptstadt zu werden (auch wenn sie daran durchaus Gefallen fänden, ist das doch ein Entwicklungsgarant für die Region, wie das Beispiel La Paz zeigt), nein, momentan geht es ihnen in erster Linie darum, Gehör zu finden bei der Regierung. Auf dass diese ihr Dekret zurückzieht und die Hauptstadtfrage wieder auf der Tagesordnung auftaucht. Wenn sich die Asamblea dann doch für La Paz entscheidet, so würde die Bevölkerung von Sucre das akzeptieren, versicherte mir meine Gastschwester Soraya.

Beinahe jeden Tag gab (und gibt) es Demonstrationen, doch die Regierung zeigt sich nicht verhandlungsbereit. Der Präfekt von Sucre, Angehöriger der Regierungspartei MAS, ist aus Frustration über die fehlende Reaktion bereits zurückgetreten. Und so versammeln sich die Studenten, Dozenten, Mitarbeiter der Verwaltung und sonstige Sympathisanten nicht vor der Präfektur, sondern vor dem Teatro Gran Mariscal, wo die verfassungsgebende Versammlung tagt. Die Demonstrationen ("Marchas") verlaufen friedlich: Fackelumzüge mit Sprechchören und Gesang. Hin und wieder eine Petarde oder ein bisschen Dynamit, man will sich ja schliesslich Gehör verschaffen. Das einzige was neben den Fackeln brannte, waren alte Autoreifen (wohlgemerkt: keine Autos angezündet, keine Scheiben eingeschlagen!). Dennoch setzte die Polizei gestern nacht erneut Gummischrot und Tränengas ein: pikanterweise mitten in der Stadt, vor dem Spital Santa Barbara.

Zusätzlich zu den Demonstrationen befinden sich mehrere hundert Menschen seit teilweise über 10 Tagen im Hungerstreik. Heute gibt es zudem kein Durchkommen ins Stadtzentrum mehr (zumindest nicht mit dem Auto): überall wurden sogenannte Bloqueos errichtet. Vor dem Teatro findet eine "Vigilia" (Wache) statt.

Esto es Sucre


Ausserdem sind heute noch die Campesinos, Bauern, angekommen um für die Regierung zu demonstrieren. Bisher kam es aber zu keinen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Gruppen. Inwiefern die Campesinos wissen wofür sie demonstrieren, ist unklar: man erzählt, dass einige von der Regierung bezahlt wurden um nach Sucre zu fahren; andere wiederum folgen blind den Anweisungen des Dorfoberhauptes.

Keine Sorge, ich bin brav zu Hause. Als ich nämlich gestern zusammen mit Soraya die Demo beobachtete, sprach mich plötzlich jemand an (wer kennt mich denn hier?!). Es war Walter, der Chef von ICYE Bolivien, und er schien alles andere als erfreut zu sein mich dort zu sehen. Was wenn ich wie geplant im Umzug mitgelaufen wäre? Prompt klingelte heute morgen das Telefon und Oscar, ICYE-Verantwortlicher für Sucre, verpasste mir quasi Hausarrest.

Wie sagten sie doch im Camp? "Wenn die Politik interessiert, ist Bolivien das perfekte Land für dich." Und wenn nicht, wird sie dich sehr bald doch interessieren. Weil du nämlich unversehens mitten drin steckst.

*sing* Capitalía plena, dumdidumdidum */sing*

Mittwoch, 5. September 2007

Impressionen

La Paz


Hier einige Fotos aus der Zeit, die ich in La Paz verbrachte. Bilder hochladen dauert (leider) ewig, wahrscheinlich werde ich das in Zukunft sein lassen. Schliesslich will ich mein Frei-Internet ja nicht überstrapazieren. Um das Album anzusehen, einfach das Bild oben anklicken. Ich hoffe es funktioniert :)
Ein Blog zu Sucre folgt in den nächsten Tagen.
Bis dahin
¡Chau!