Donnerstag, 17. Januar 2008

Land der Gegensätze

Bolivien ist kein einheitliches und schon gar kein geeintes Land; zu gross sind die Gegensätze zwischen Stadt und Land, Arm und Reich, Hoch- und Tiefland. Nichts liess mich das besser erkennen als meine ersten beiden Reisen in Bolivien, welche mich vom tropischen Tiefland des Ostens ins trockene Hochland des Südwestens führten.

Santa Cruz
Zusammen mit meiner Gastschwester Zoraida und meinem Gastvater Chad verbrachte ich gut eine Woche in ihrem Ferienhaus in Santa Cruz. Santa Cruz ist die grösste Stadt Boliviens, gleichzeitig aber die un-bolivianischste - eine moderne, boomende Stadt, welche sich wohl genau so gut auch in jedem anderen südamerikanischen Land befinden könnte. Noch vor 50 Jahren war Santa Cruz wenig mehr als ein Dörfchen, so dass die Stadt heute vom kulturellen und historischen eher uninteressant ist.

Nicht weit entfernt jedoch befinden sich gleich zwei UNESCO-Weltkulturerben: die rätselhaften Ruinen von Samaipata und die gut erhaltenen, resp. schön restaurierten, Jesuitenmissionen der Chiquitania. Ein erster Ausflug führte uns zu ersteren, wo wir die Überreste dieses strategisch genial gelegenen Zeremoniezentrum der Inkas bestaunten.

Was macht die wohlhabende cruceñische Stadtbevölkerung am Sonntag? Natürlich, "ir al campo" (raus auf's Land!). Zusammen mit einer befreundeten Familie fuhren wir zu deren Landhaus, komplett mit umliegenden Obstpflanzungen (Bananen, Orangen, Zitronen, Papayas, Maracuyas) und Pächterfamilie. Die Fahrt auf der Ladefläche des Jeeps (?) war zwar nicht gerade bequem, dafür wehte ein erfrischender Wind, der die tropische Schwüle vergessen liess.

Dass man mit einer guten Idee und geringem Aufwand viel Geld machen kann, führte uns das Biocentro Guëmbe schön vor Augen. Man nehme ein Stück guterhaltenen Urwald, zäune es ein, setze einige Schmetterlinge aus, pflanze einige Orchideen und verlange 60Bs. Eintritt. Die hübschen Schwimmbecken und die Möglichkeit Ausritte in den umliegenden Wald zu unternehmen, machen das "Mariposario" zu einem hübschen Ausflugsziel.

Nach einer Woche in Santa Cruz wurde ich unruhig: schliesslich verfloss hier gerade meine kostbare Reisezeit mit herumsitzen und Früchte essen :) Erleichtert stieg ich also in den Überlandbus ein, der mich nach Concepción brachte. Entgegen meinem ursprünglichen Plan sämtliche ex-Jesuitenmissionen zu besuchen, entschied ich mich nur die beiden nächstgelegenen, Concepción und San Javier zu besichtigen. Die Strassen zu den übrigen sind nicht asphaltiert, und wegen der Regenzeit wären das wohl ziemlich unbequeme Fahrten geworden (schon in Santa Cruz hatten wir die grösste Mühe zu unserem Haus zu kommen - Asphalt nur im Zentrum, Schlamm und lagunenartige Pfützen weiter draussen). Zudem hatte Chad schon irgendwie recht: "Hast du eine gesehen, hast du alle gesehen". Ich genoss die zwei Tage in den friedlichen Dörfern dennoch, und fühlte (mal wieder) so etwas wie Patriotismus in meiner Brust anschwellen; hatte doch ein luzerner Jesuitenpriester im 18. Jahrhundert die Kirchen erbaut und ein Zürcher Architekt vor knapp 20 Jahren dieselbigen schonend restauriert.

Santa Cruz


Oruro-Tupiza-Uyuni
Kaum einen Tag zu Hause und schon ging es wieder los. Per Bus gelangte ich zuerst nach Oruro, der bolivianischsten der bolivianischen Städte, mit 90% indigener (oder zumindest sich selbst als indigen bezeichnender) Bevölkerung. Die meisten Minen, welche Oruro einst zu einer wohlhabenden Stadt gemacht hatten, sind heute stillgelegt und die wirtschaftliche Situation angespannt (Oruro sei die Stadt der Diebe, wurde ich gewarnt).
Nach einem Tag in Oruro, fuhr ich per Zug nach Tupiza. Es gibt in Bolivien zwei funktionierende Zuglinien: die eine von Santa Cruz nach Corumbá, an der brasilianischen Grenze; die andere von Oruro über Uyuni und Tupiza nach Villazón an der argentinischen Grenze. Per Mail hatte ich mir ein Ticket reservieren lassen (da der Zug nur dreimal die Woche fährt, ist er immer gut ausgelastet). Leider hatte die reservation aber nicht geklappt, so dass ich mich glücklich schätzen konte einen Platz in der 3. Klasse "Popular" (Coca-Klasse ;)) zu ergattern. Die Lederbänke schienen zwar anfangs noch ganz bequem, doch spätestens als dann jeder Platz doppelt besetz war (die Leute stiegen ohne Ticket ein, und kauften dann eines beim Kondukteur, der sie natürlich auch nicht einfach russchmeissen konnte...) und wir nach 13 Stunden immer noch zwei Stunden von Tupiza entfernt waren, wünschte ich mich zumindest in die 2. Klasse. Immerhin kann ich sagen, ich hätte einen echten Einblick in die Art erhalten, wie das gewöhnliche bolivianische Volk reist.

Nach einem Tag im hübschen Städtchen Tupiza, ging vergangenen Freitag meine 4-tägige 4WD Tour durch den wilden (Süd-)Westen Boliviens los. Von knapp 3000 m.ü.M. kletterten wir stetig höher hinauf, bis auf über 5000 m.ü.M. Die anfangs noch mexikanisch anmutende Landschaft (Kakteen, rote Felsen) ging rasch in karges Altiplano mit spärlicher Vegetation über. Vorbei an grasenden Lamas und Vicuñas (nicht-domestizierte, feingliedrige Lama Version) gelangten wir zu fast allen Sehenswürdigkeiten, die dieses kaum besiedelte Stück Welt zu bieten hat. Bizarre Steinformationen, heisse Quellen, Geysire, bunte Lagunen mit Flamingos (ja, Flamingos. Und das bei Temperaturen die wohl öfter mal unter als über dem Gefrierpunkt liegen!) und im Hintergrund immer wieder die schneebedeckten Gipfel der Anden. Der letzte Tag brachte dann den Höhepunkt der Tour: den Salar de Uyuni. Zur Regenzeit ist dieser riesige Salzsee von ca. 10 cm Wasser bedeckt, was zu einer nahezu perfekten Reflektion des - zum Glück nur leicht bewölkten - Himmels führte und es unmöglich machte, zu sagen wo genau denn jetzt die Horizontlinie verlüft. Mochte unser Gehirn sie auch noch so angestrengt suchen.

Bolivien - Der Suedwesten


Und so ging der erste Teil meiner Reisezeit zu Ende. Am Wochenende ist noch ICYE-Halbjahrescamp angesagt; doch ab Montag heisst es dann wieder arbeiten. Alltag, nicht allzu grau, hoffe ich. Die nächste Unterbrechung aber naht schon: Karneval in Oruro :)


2 Kommentare:

Ki hat gesagt…

Interessanter Text und sehr schöne Fotos! Schade, dass dies alles einer breiteren Personenschicht verschlossen bleibt!

Ki hat gesagt…

Interessanter Text und sehr schöne Fotos! Schade, dass dies alles einer breiteren Personenschicht verschlossen bleibt!